Auch auf die Arbeit der TelefonSeelsorge hat sich die Unwetterkatastrophe ausgewirkt. Die Dienststelle Bad Neuenahr-Ahrweiler mit Standort in Ahrweiler ist nicht mehr zu benutzen. Zur großen Erleichterung aller sind unter den Mitarbeitenden keine Toten zu beklagen. TelefonSeelsorge hat die 24/7-Erreichbarkeit auch in den Krisengebieten sichergestellt.
„In unseren über 100 Dienststellen bundesweit erleben wir die Betroffenheit und das Mitgefühl unserer Mitarbeitenden. Wenn vermeintliche Sicherheiten so brutal weggespült werden, wenn viele Todesopfer und existenziell Betroffene zu beklagen sind, rührt das alle zutiefst an“, erklärt Michael Hillenkamp, katholischer Vorsitzender der Evangelisch-Katholischen Kommission (EKK), des bundesweiten Leitungsgremiums der TelefonSeelsorge. „Und wir sind tief beeindruckt von den Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die sich der Sicherstellung der Erreichbarkeit mit bewundernswerter Energie widmen. Sie wollen gerade jetzt für die Menschen da sein.“
Auf der Bundesebene wurde beschlossen, der von der Flut am heftigsten getroffenen Dienststelle in Bad Neuenahr-Ahrweiler kurzfristig eine größere Summe zur Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Dort wird gerade eine neue Unterkunft für die mittelfristig nicht mehr erreichbare Dienststelle aufgebaut.
„Was wir hier zurzeit erleben, hat sich niemand vorstellen können“, sagt Werner Gross, geschäftsführender Vorstand der TelefonSeelsorge Bad Neuenahr-Ahrweiler e.V. „Die Räume sind noch da, aber sie sind bis auf weiteres unbenutzbar. Es gibt weder Strom noch Gas noch Wasser, keine funktionierende Kanalisation, kein Telefonnetz – kurzum, hier kann niemand mehr Dienst machen.“
Trotz des Ausfalls dieser Dienststelle mitten im Krisengebiet bleibt die Erreichbarkeit der TelefonSeelsorge gewährleistet. Denn für den Fall, dass einzelne Dienststellen ausfallen, greift das erweiterte Routing. „Es ist uns ein Anliegen, dass wir bei Ausfällen einzelner Stellen kurzfristig einspringen können“, erklärt Andrea Arndt, Routingbeauftragte für die Region Rheinland. „In der Regel sind solche Ausfälle eher selten. Die Telekom bekommt dann von uns die entsprechenden Informationen und sorgt für die Weiterleitung der Anrufe. Zurzeit ist es so, dass Anrufe, die aus Bad Neuenahr-Ahrweiler getätigt werden, in die Region Rheinland weitergeleitet werden, so dass eine höhere Erreichbarkeit entsteht.“
Annelie Bracke, Dienststellenleiterin der katholischen TelefonSeelsorge in Köln, erlebt eine langsame Steigerung bei der Zahl der Anrufe. „Wir hatten zunächst gar nicht so viele Anrufe zu diesem Thema; nur wenige davon kamen von persönlich Betroffenen, es gab mehr Anrufe von Menschen, die durch die Katastrophe massiv berührt waren. Seither steigern sich die Anrufzahlen aber auch von Betroffenen oder Helfern“, berichtet sie. „Das betrifft Bad Neuenahr-Ahrweiler und Erftstadt; letzteres gehört sowieso zu unserem Einzugsgebiet. Wir haben auch eine Mitarbeiterin aus Erftstadt, sie hatte Glück, ihr und ihren Angehörigen ist nichts passiert.“
Auch in Kaiserslautern kommen Anrufe von betroffenen Menschen an. „Wir rechnen allerdings nicht sofort mit einer dramatischen Zunahme“, sagt die stellvertretende Stellenleiterin der TelefonSeelsorge Pfalz, Astrid Martin. „Denn in den Krisengebieten sind ja auch die Telefonnetze nur teilweise verfügbar. Wahrscheinlich kommt das Gros der Anrufe zu dieser Thematik erst in den nächsten Tagen und Wochen auf uns zu. Im Augenblick bekommen wir zu dem Thema eher Anrufe von Menschen, die, ohne selbst betroffen zu sein, durch die Bilder und Nachrichten geschockt sind. Das sind oft Menschen, die bereits psychisch stark belastet sind.“ Die Stelle in Kaiserslautern sieht zukünftig aber auch den Bedarf, sich um die vielen Helfenden zu kümmern, die teilweise schwer erschüttert von ihren Einsatzorten zurückkämen.
Die Dienststelle in Hagen war ebenfalls von der Flutkatastrophe betroffen. „Die Zufahrtsstraßen waren keine Straßen mehr, sondern mehr oder weniger reißende Wasserläufe“, konstatiert Birgit Knatz, Leiterin der TelefonSeelsorge Hagen-Mark. „Und dennoch haben sich viele unserer Ehrenamtlichen zu uns durchgeschlagen – teils auf abenteuerliche Weise. Sie wollten in dieser Katastrophe unbedingt für die Menschen da sein.“
Während sich auch hier die Zahl der Anrufenden, die über die Flutkatastrophe sprechen wollen, bisher noch in Grenzen hält, sind es einzelne Anrufe zum Thema, die erahnen lassen, wie es in vielen Menschen aussieht.
„Wir hatten Anrufe von Menschen, die gerade noch ihre Haustiere aus dem Garten retten konnten; von Menschen, die Angehörige oder Freunde in den Hochwassergebieten vermutet haben oder sie dort in Rettungseinsätzen wussten und von vielen, die zwar nicht selbst betroffen, aber tief bewegt sind von den Schicksalen ihrer Mitmenschen in den am schlimmsten betroffenen Gebieten“, schildert Birgit Knatz. „Sehr berührt hat mich auch ein Anrufer, in dem durch die Flutkatastrophe die Erinnerungen an eine frühere Katastrophensituation hochkamen, die ihm jetzt sehr zu schaffen machen. Dieses Hochwasser löst wirklich viel aus.“
Derweil ist die Dienststelle in Ahrweiler ist bereits mit dem Aufbau einer Infrastruktur in kurzfristig zur Verfügung gestellten Räumen befasst. „Wir hoffen, die Notrufnummern schon in dieser Woche zumindest stundenweise wieder besetzen zu können“, sagt Werner Gross. „Das ist unseren Mitarbeitenden ein echtes Anliegen. Sie sagen zurecht, dass sich kaum jemand besser in die Lage der Menschen hier einfühlen kann als sie, die die Katastrophe hautnah miterlebt haben.“
Die Beteiligten vor Ort erleben eine Welle der Hilfsbereitschaft, die, so Werner Gross, ein wirklicher Trost sei. Die Dienststelle hat ein Spendenkonto eingerichtet: „Wir haben zwar keine Toten zu beklagen, aber wir haben Mitarbeitende, die buchstäblich nur noch das besitzen, was sie am Leib tragen. Sie wollen wir damit unterstützen.“
„TelefonSeelsorge ist insgesamt gut aufgestellt, um auch in solchen Katastrophen eine Anlaufstelle sein zu können“, resümiert Frank Ertel, evangelischer Vorsitzender der EKK. „Was aber auch bei uns bleibt, ist die Sorge, dass solche klimabedingten Ereignisse zunehmen könnten und die Frage, ob wir für den Umgang mit solchen Katastrophen unsere Beraterinnen und Berater gezielt schulen sollten. Das Thema wird bei uns sicher auf der Agenda bleiben.“
Wer für die betroffenen TelefonSeelsorge-Ehrenamtlichen spenden möchte, kann das hier tun:
TelefonSeelsorge Ahrweiler e.V., IBAN: DE49 5775 1310 1000 5632 86, BIC: MALADE51AHR, Verwendungszweck: Wiederaufbau Mitglieder TS-Ahrweiler. Gemäß einer aktuellen Verfügung des Landes Rheinland-Pfalz reicht bis zum 31.10.2021 der Einzahlungs- / Überweisungsbeleg als Nachweis aus, eine Spendenquittung ist nicht erforderlich.